KINO AM UFER, BERLIN-WEDDING
GESCHICHTE, PROGRAMM & SPIELPLAN

A Geschichte

Die Gründung des "Kino am Ufer" - übrigens die erste Kino-Neugründung im Berliner Wedding seit ziemlich genau einem halben Jahrhundert - verdankt sich zwei ganz unterschiedlichen Interessenskonstellationen, einer nachbarschaftlichen und einer filmwirtschaftlichen, die durch eine Serie glücklicher Fügungen, unverhofft zueinander fanden.

A.I NachbarInnen in Not

Zum einen waren [und sind] da die Bewohner eines großen Eckhauses an der Panke, je nach Eingang Martin-Opitz-Straße 1 oder Uferstrasse 12, die dem sozialen Zerfall ihres Kiezes, der immer aufdringlicher werdenden Verwahrlosung ihrer Nachbarschaft Einhalt gebieten wollten.

Das Fass zum Überlaufen brachte ein Brand am 1. Oktober 2006 im dritten Stock dieses Gebäudes. Er führte zur wochenlangen Schließung des gesamten Hauses und machte die BewohnerInnen über Nacht zu Obdachlosen. Spontan schlossen sie sich zu einem "Aktionsbündnis 1. Oktober" zusammen und formulierten ihre Forderungen an die Hausverwaltung, darunter ein Vorschlags-Recht bei der Auswahl neuer MieterInnen, um solch einem Desaster künftig vorzubeugen.

Insbesondere war den Mieterinnen und Mietern des Hauses, aber auch den Nachbarn, die Kneipe im Erdgeschoß ein Dorn im Auge. In "Oma's Pinte" trank man eher aus der Flasche als aus dem Glas, eher im Stehen als im Sitzen. Auf dem Bürgersteig vor der Kneipe versammelten sich allabendlich lauthals gestikulierende Männerhorden. Insbesondere die Bewohnerinnen des Hauses fühlten sich nicht mehr wohl, nicht mehr sicher. Einige spielten bereits mit dem Gedanken, wegzuziehen.

A.II Kinomacher auf Heimatsuche

Zum anderen waren [und sind] da wir, Usch Schmitz und Kraft Wetzel, die wir seit 1999 im Wedding eine kleine Agentur für interreligiöse, für spirituelle Veranstaltungen namens NIRWANA EVENTS betreiben. Wir hatten nicht vor, ein Kino zu betreiben, geschweige denn ein neues zu gründen. Eigentlich hatten wir uns in die Welt gestellt, wie unser Name bereits nahe legt, um live zu arbeiten, um große und kleine öffentliche Veranstaltungen mit herausragenden Persönlichkeiten aus den verschiedenen religiösen und spirituellen Traditionen und den damit befassten wissenschaftlichen Disziplinen zu organisieren.

Aber schon aus den ersten großen Events mit Dorothee Sölle, mit Thich Nhat Hanh und Gregor Gysi erwuchsen Filme: abendfüllende Dokumentationen, für deren Vertrieb wir ein eigenes DVD/Video-Label namens NIRWANA VISION gründeten - in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Auditorium Netzwerk, Müllheim/Baden, die dieses Feld bereits seit 15 Jahren beackern.

Doch was nützt es auf Dauer, Filme zu produzieren und am Markt verfügbar zu halten, wenn sie zwar innerhalb der spirituellen Szene zirkulieren, privat, von Hand zu Hand weitergereicht werden, aber in der Öffentlichkeit, in den Medien nicht bemerkt werden?

Also hoben wir im Mai 2006 - gemeinsam mit einer Reihe von Berliner und bundesdeutschen Partnern - ein kleines "Festival des spirituellen Films" aus der Taufe, das nach dem wunderbarem Erfolg in Berlin nun exportiert werden kann: Im Januar wurde es im StadtRaum Köln wiederholt, als "Spirituelles Filmfestival Köln 2007", als nächstes stehen Hamburg, Frankfurt/Main, Zürich und Basel an.

In Berlin fand dieses Festival im "Kino am Sparrplatz" statt, einem Vorführraum mit 49 Kinosesseln, den die Bürgermeister-Reuther-Stiftung in einem ihrer studentischen Wohnheime im Wedding eingerichtet hatte, aber schon seit Jahren so gut wie nie nutzt. Weil dieser Platz so gut angenommen wurde, weil Menschen aus allen Stadtteilen Berlins den Weg zu uns in den Wedding fanden, sogar aus Potsdam und Teltow kamen, beschlossen wir, dort weiterzumachen, nach und nach zu einem Dauerbetrieb überzugehen. Am 9. November 2006 öffnete das "Kino am Sparrplatz" offiziell seine Pforten - das "erste spirituelle Kino", so der Berliner TAGESSPIEGEL in einem fünfspaltigen Bericht unter der Überschrift "KLEIN BISSCHEN ABGEDREHT". In Wedding hat das erste spirituelle Kino eröffnet. Heute Abend läuft ein Film von Doris Dörrie", samt einem Farbphoto der beiden Betreiber.

Es war, als hätte dieses picobello eingerichtete und ausgerüstete Kino nur auf uns gewartet: Alles lief glatt und unsere BesucherInnen waren glücklich. Wenn es nach uns gegangen wäre, wären wir immer noch im "Kino am Sparrplatz".

Doch es ging nicht nach uns: Mitte Dezember wurden wir damit überrascht, dass der Vorstand der Stiftung uns keinen langfristigen Mietvertrag geben mochte. Ende Dezember würde Schluss sein für uns am Sparrplatz. Doch wir hatten das Januar-Programm bereits in Arbeit, hatten Vorführrechte erworben, Gäste eingeladen, viel Mühe in die Gestaltung des Flyers investiert. Binnen 24 Stunden mussten wir uns entscheiden: Zumachen? Oder subito anderswo hin mit unserem (inzwischen eingespielten) Kino-Betrieb?

A.III "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört."

Nun fügt es sich so, dass zu der Hausgemeinschaft in der Uferstrasse 12 auch Usch Schmitz gehört. Sie wohnt nicht nur selbst in diesem Haus, auch unsere Agentur NIRWANA EVENTS hat hier schon seit 1999 ihr Büro.

Usch Schmitz, ihre eigene Firma WERKSTATT SILBERBLAU und unsere gemeinsame Firma NIRWANA EVENTS gehörten zu denen, die nach dem Brand am 1. Oktober 2006 wochenlang obdachlos waren.

Womit wir bei den glücklichen Fügungen wären, die das "Kino am Ufer" möglich gemacht haben: Erstens lief der Mietvertrag für "Oma's Pinte" zum 31. Dezember 2006 aus. Zweitens & viel wichtiger noch: Auch der Brauerei-Vertrag mit dieser Kneipe lief zum Jahresende 2006 aus. Und drittens hatte der Hausverwalter sich mit den Sorgen und Wünschen seiner MieterInnen auseinandergesetzt und inzwischen selbst ein starkes Interesse daran, keine Gastronomie mehr zu beherbergen, sondern die Räume lieber an eine kulturelle Einrichtung zu vermieten.

Innerhalb kürzester Zeit wurden wir uns handelseinig und schlossen einen zehnjährigen Mietvertrag ab. Am 2. Januar 2007 bekamen wir die Schlüssel zu einer heruntergekommenen Kneipe voller Gerümpel.

Auf unserer Homepage www.kino-am-ufer.de können Sie sich anschauen, wie es an diesem Tag aussah - und was wir, dank der tatkräftigen Unterstützung vieler Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn, binnen weniger Tage daraus gemacht haben.

Am 5. Januar 2007 eröffneten wir das "Kino & Café am Ufer" - und über 100 Menschen kamen zu uns. Bei den ersten Vorstellungen waren die knapp 40 Sitzplätze alle besetzt, ein Teil des Publikums schaute einfach im Stehen zu.

Und es scheint so glücklich weiterzugehen: Allein im Januar waren an die 450 Menschen bei uns, fast alle Vorstellungen waren ausverkauft, und die Serie der guten Wünsche sowohl aus der Nachbarschaft wie aus der spirituellen Szene reißt nicht ab.


B Programm-Konzeption & Spielplan
des "Kino am Ufer"

B.I "Think global - act local"

Die Grundlinie unserer Programm-Konzeption ergibt sich aus seiner Geschichte: Das "Kino & Café am Ufer" soll zugleich ein Ort werden, an dem sich Nachbarinnen und Nachbarn zu Hause fühlen, und eine "Oase für freie Geister" aus der ganzen Stadt, die sich für religiöse und spirituelle Fragen und Persönlichkeiten interessieren.

Mit unserem Januar-Programm haben wir erst einmal die Mitte unserer eigenen Interessen markiert: Buddhismus in all seinen Spielarten und die mystischen Traditionen des Christentums. Doch sind wir viel zu neugierig auf die Schätze, die Weisheit und die Techniken der Anderen, um nicht offen zu sein in alle Richtungen. Ausschlaggebend für unsere Auswahl sind einzig die spirituelle Authentizität (man könnte auch 'Tiefe' dazu sagen) und die filmische Qualität.

Ab Februar 2007 werden wir jedes Monatsprogramm unter ein Thema stellen: Mit TIBET fangen wir an und im März geht's weiter nach INDIEN. Im Mai steht die zweite Ausgabe unseres "KLEINEN FESTIVALS DES SPIRITUELLEN FILMS" an, Ende Juni/Anfang Juli laden wir ein zu einem WEDDING WEEKEND, im Herbst möchten wir einen Monat über WASSER machen, und ein "Natur- & Tier-Filmfestival" ist ebenfalls in Planung.

Anhand unserer Filmauswahl für Februar lässt sich zeigen, wie wir solch ein Monatsprogramm komponieren:

Damit jede/r in unserem Programm zumindest einen Film-Titel findet, den sie oder er schon einmal gehört hat, werden wir im Februar KUNDUN von Martin Scorsese zeigen. Dazu gibt es einen Film namens NAMGYAL von Roman Meyer, den keiner kennen kann, weil wir ihn in Deutscher Erstführung zeigen (dürfen), dazu zwei Wiederaufführungen von Filmen, die schon lange nicht mehr öffentlich gezeigt wurden: LIVING BUDDHA von Clemens Kuby, der zu den erfolgreichsten deutschen Kino-Dokumentarfilmen überhaupt gehört, und JENSEITS VON TIBET von Solveig Klaßen, der Abschlussfilm einer Absolventin der Berliner DFFB, der es unter der Ägide der EDITION SALZGEBER auf etwa 40.000 zahlende BesucherInnen brachte.

Das "Kino am Ufer" soll also

1.) ein Premierenkino für spirituelle Filme sein,

2.) ein Repertoire-Kino, das nach und nach, durch die stetige Wiederholung
bestimmter Filme in immer neuen Zusammenhängen, einen 'Kleinen Kanon
des spirituellen Films' ausbilden wird,

und es soll [was in den ersten beiden Monats-Programmen noch nicht
zum Tragen kommen konnte]

3.) die spirituellen Schätze der Filmgeschichte bergen und ihnen zu neuem Leben
verhelfen, sie in den aktuellen spirituellen und philosophischen Diskurs einfädeln.

Wer nur an manche Filme von Carl-Theodor Dreyer, Robert Bresson, Eric Rohmer, Ingmar Bergmann, Andrej Tarkowski, Alexandr Sokurov und an Harald Brauns "Nachtwache" denkt, ahnt, aus welch reichen Quellen wir schöpfen können.

B.II Angebote für die Weddinger Nachbarschaft:
Café, Kinderfilme, Senioren-Filmclub

Aber wollten wir nicht (zumindest auch) ein Kino für die Nachbarinnen und Nachbarn machen? - Es ist ja richtig, und wir geben uns da keinen Illusionen hin: Hier in diesem Teil des Wedding, im Panke-Kiez, wohnen zwar auch noch versprengte Reste des einstigen 'gut bürgerlichen' Publikums, und die werden früher oder später zu uns finden. Vor allem aber wohnen hier derzeit 'sozial Schwache', die gemeinhin den 'bildungsfernen Schichten', der 'neuen Unterschicht' zugerechnet werden.

Von diesen Menschen, die oft genug schwer strampeln müssen, um sich über Wasser zu halten, kann nicht im Ernst erwartet werden, dass sie sich plötzlich für Tibet oder indische Weise interessieren, bloß weil's Filme darüber jetzt bei ihnen um's Eck' gibt.

Wir sind deshalb vollauf zufrieden damit, dass einige von ihnen ab und zu kommen, und dass viele sich ausdrücklich freuen, dass es jetzt an dieser Stelle ein kleines Kino gibt. Manche NachbarInnen fühlen sich mit dem "Kino am Ufer" schon jetzt verbunden, zum Beispiel weil etwas von ihnen bei uns steht oder hängt: Die Kissen für unsere Stühle nähte eine junge, frisch diplomierte ModeDesignerin aus dem 3. Stock, die Vorhänge nähte eine türkische Schneiderin zwei Straßen weiter, und die neue Leuchtreklame fertigte ein kleiner Betrieb keine 100 Meter Luftlinie von uns entfernt. Wir werden auch weiterhin so verfahren, dass wir alle Aufträge, die Ausstattung des Kinos betreffend, so ortsnah wie möglich vergeben: eisern immer erst mal die NachbarInnen und umliegenden Betriebe fragen

Im Frühsommer dann, wenn wir - inscha'allah - das Café eröffnen, wenn man draußen sitzen kann, an der Panke, mit Blick auf alte Bäume, werden wohl auch viele der Nachbarinnen und Nachbarn zu uns finden, denen spirituelle Filme völlig egal sind: allein schon weil es bei uns Leckereien wie Brownies mit Zimt oder Chilli gibt, die man sonst im Wedding nirgendwo bekommt - gebacken übrigens von den "KREUZBERGER KUCHENBÄCKERINNEN", einem Projekt der [gemeinnützigen] Regenbogenfabrik e.V.

Spirituelle Filme spielen wir nur von Donnerstag bis Sonntag in jeweils zwei Vorstellungen. Montag ist unser Ruhetag. Bleiben noch Dienstag und Mittwoch sowie die Nachmittage von Samstag und Sonntag zur freien Gestaltung.

Um die soziale Einwurzelung des "Kino am Ufer" zu erleichtern, werden wir über kurz oder lang am Samstag zwei Termine für Kinderfilme einrichten und am Sonntag-Nachmittag einen Senioren-Filmclub.

An dem ersten Termin für Kinder möchten wir gerne - wie alle anderen partizipierenden Kinos in Berlin auch - den 'Film des Monats' der Berliner Kinderfilm-Initiative spielen; am zweiten möchten wir einen Lieblingsfilm von Kindern aus dem Kiez zeigen.

So ähnlich könnte auch der "Senioren-Filmclub" funktionieren: Ältere Menschen - angefangen mit den BewohnerInnen der umliegenden Senioren-Wohnheime und
kommunalen Betreuungseinrichtungen - schlagen ihre Lieblingsfilme vor. Wenn der dann bei
uns gezeigt wird, stellen sie ihn selbst vor und erzählen uns vorneweg, warum es ihr Lieblingsfilm ist. Hinterher unterhalten wir uns darüber bei Kaffee & Kuchen.

Zusammen mit den Kinder- und Seniorenterminen wird das "Kino am Ufer" also auf mittlere Sicht monatlich etwa 45 Filmvorführungen anbieten.

B.III dienstags & mittwochs: Local Live Acts u.v.m.

Auch um anderen als spirituell interessierten Menschen gute Gründe zu geben, zu uns zu kommen [und dann doch 'mal einen Blick in unser Kino-Programm zu riskieren], wird es dienstags und mittwochs Live-Programme bei uns geben: Musik, Kabarett, Lesungen, Meditationen etc., wobei unsere besondere Zuwendung Weddinger Künstlerinnen und Künstlern gelten wird.

Den Anfang unserer Kleinkunst-Reihe wird am 14. Februar 2007 ein jüdischer Kabarettist & Sänger machen, den uns übrigens einer unserer Nachbarn empfohlen & ans Herz gelegt hat: Helus Hercygier, lange Jahren eine der Säulen des Alt-Berliner Kabaretts "Berliner Brett'l" und Mitbegründer des legendären TIK, "Theater in Kreuzberg", wird "JIDDISCHE LIEDER & JÜDISCHE WITZE" vortragen, begleitet am Klavier von Alexandra Gotthardt.

Ab Ende März wird der renommierte Obertonsänger Dieter Wienand aus Köln einmal pro Monat zu uns kommen und Abende mit Gesang & Meditation anbieten. Bis dahin sollten unsere Räume mit einer Schallisolierung versehen sein.

Das Leben ist und bleibt halt eine Baustelle, auch im "Kino am Ufer".

Es freuen sich über Ihr Interesse
und auf Ihren Besuch bei uns

Usch Schmitz & Kraft Wetzel
NIRWANA-EVENTS
Berlin-Wedding, Ende Januar 2007





KINO & CAFÉ AM UFER
Uferstrasse 12, 13357 Berlin
Telefon: 030. 46 50 71 39
info@kino-am-ufer.de
www.kino-am-ufer.de


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